Am 27. 6. 2013 hat der Bundestag das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ verabschiedet, vgl. BT-Drs. 17/13057, 17/13429 i. d. F. der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses (BT-Drs. 17/14192). Das man in einem Gesetz dieses Namens gleichzeitig das nach Ansicht vieler Gerichte - an der Speerspitze das unverwüstliche AG München - doch absolut legitime Abmahnverhalten in der Musik- und Unterhaltungsindustrie mitregelt und Grenzen setzen möchte, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Insbesondere die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses vom 26.06.2013 (BT-Drs. 17/14192) hat nochmals bedeutende Änderungen in dem ursprünglichen Gesetzesentwurf der Bundesregierung gebracht. Das Gesetz ist seit 09.10.2013 in Kraft.
1.) Ganz offenbar empfinden es Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag als unseriös, wenn an offensichtlich computergenerierte Formbriefe wg. Urheberechtsverletzungen Anwaltsrechnungen in Höhe von mehreren Hundert EUR, wenn nicht über 1.000,- EUR, angehängt werden. Da insbesondere das AG München als Hausgericht der RAe Waldorf Frommer dies nicht als unseriös empfand und auch nicht wenigstens durch Herabsetzung des Streitwerts - was ohne weiteres möglich gewesen wäre - wenigstens eine Korrektur vorgenommen hat, wurde nun der Gesetzgeber tätig. Für Urheberrechtsabmahnungen im privaten Bereich gilt ab Verkündung des Gesetzes § 97a UrhG. Dort heißt es in Abs.3:
Soweit die Abmahnung berechtigt ist und Absatz 2 Nummern 1 bis 4 entspricht, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangt werden. Für die Inanspruchnahme anwaltlicher
Dienstleistungen beschränkt sich der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren auf Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs - und
Beseitigungsanspruch von 1 000 EUR, wenn der Abgemahnte
1. eine natürliche Person ist, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche
Tätigkeit verwendet, und
2. nicht bereits wegen eines Anspruchs des Abmahnenden durch Vertrag,
aufgrund einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung oder einer einstweiligen Verfügung zur Unterlassung verpflichtet ist
Der in Satz 2 genannte Wert ist auch maßgeblich, wenn ein Unterlassungs und ein Beseitigungsanspruch nebeneinander geltend gemacht werden. Satz 2 gilt nicht, wenn der genannte Wert nach den
besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist.
Eine Geschäftsgebühr von 1,3-Gebühr auf einem Streitwert von 1.000,- EUR beträgt ab dem 01.08.2013 124,00 + 19 % MwSt. = 147,56 EUR. Da die allermeisten Abmahner vorsteuerabzugsberechtigt sind,
ist nach meiner Lesart dieses Gesetzes der Anspruch auf Abmahnkosten auch für eine Filesharing Abmahnung in der Regel auf 124,00 EUR begrenzt. Allerdings lässt auch dieses Gesetz
eine Hintertür offen, nämlich, wenn der Streitwert von 1.000,- EUR nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig sei. Hier wird die Manege für kreativste Auslegung
eröffnet, warum ausgerechnet eine Filesharing Abmahnung nicht unter § 97a Abs.3 UrhG fällt. Man darf gespannt sein.
Hinzu kann aber weiterhin eine etwaige Schadensersatzforderung kommen. Allerdings muss der geltend gemachte Zahlungsanspruch als Schadensersatz- und Aufwendungsersatzansprüche aufgeschlüsselt werden.
Weiterhin legt § 97a Abs. 2 UrhG Formerfordernisse an eine Abmahnung im Urheberrecht fest.
Gemäß § 97a Abs. 4 UrhG kann bei unberechtigten Abmahnungen Schadensersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangt werden, es sei denn, es war für den Abmahnenden zum Zeitpunkt der Abmahnung nicht erkennbar, dass die Abmahnung unberechtigt war (Anm.: was wohl immer der Fall sein wird, womit man sich den § hätte auch sparen können).
2.) Im Wettbewerbsrecht wurde ein schwammiger Auffangstreitwert eingeführt. Es heißt in § 51 Abs.3 GKG:
Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts hinsichtlich des Beseitigungs- oder Unterlassungsanspruchs keine genügenden Anhaltspunkte, ist insoweit ein Streitwert von 1.000,- Euro anzunehmen, auch wenn diese Ansprüche nebeneinander geltend gemacht werden.
Hieran vermag ich aber nicht notwendigerweise eine Begrenzung nach oben zu erkennen. Derartige Ermessenserwägungen waren auch bisher ohne ein solches Gesetz ohne weiteres im Rahmen des § 3 ZPO möglich. Allerdings wurde dies nur von dem OLG Düsseldorf konsequent angewendet, wenn dort der Streitwert für Fehler in Widerrufsbelehrungen auf 900,- EUR festgesetzt wurde.
3.) Als unseriöse Geschäftspraktik wurde grundsätzlich auch der sog. fliegende Gerichtsstand erkannt. Die Bundesregierung wollte den fliegenden Gerichtsstand allerdings nur - und dies kann ich überhaupt nicht nachvollziehen - im Bereich des Wettbewerbsrechts, nicht aber im Bereich des Urheberrechts oder des Markenrechts abschaffen.
Der Bundesrat und der Rechtsausschuss des Bundestags sahen dies ganz anders. Der fliegende Gerichtsstand im Wettbewerbsrecht wird auf Empfehlung des Rechtsausschusses beibehalten, dafür aber im Urheberrecht gegenüber Verbrauchern abgeschafft! Es heißt im neuen § 104a UrhG:
Für Klagen wegen Urheberrechtsstreitsachen gegen eine natürliche Person, die nach diesem Gesetz geschützte Werke oder andere nach diesem Gesetz geschützte Schutzgegenstände nicht für ihre gewerbliche oder selbständige berufliche Tätigkeit verwendet, ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk diese Person zur Zeit der Klageerhebung ihren Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat.
Wenn die beklagte Person im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, ist das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist.
Es ist mehr als zu begrüßen, dass der Rechtsausschuss des Bundestages hier den nicht nachvollziehbaren Entwurf der Bundesregierung korrigiert hat. Warum im UWG der fliegende Gerichtsstand abgeschafft werden sollte, bei Filesharingklagen aber nicht, wird wohl ewig das Geheimnis der Bundesregierung blieben. Die Abschaffung des fliegenden Gerichtsstands gegenüber Verbrauchern ist mehr als überfällig gewesen.
Das heißt folglich, dass es mit dem neuen Gesetz ausgeschlossen sein wird, in Filesharing-Sachen einen Familienvater aus Saarbrücken in Hamburg oder München zu verklagen.
Im Markenrecht, im geschäftlichen Urherberrecht sowie im Wettbewerbsrecht bleibt es alles beim Alten. Man wird sich also bei Sachverhalten im Internet weiterhin den Gerichtsstand nach dem höchsten Streitwert oder der kürzesten Wegstrecke zur Kanzlei aussuchen können.
4.) Zu begrüßen ist die Ergänzung des § 8 Abs.4 UWG.
In der Zukunft soll bei rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen im Wettbewerbsrecht Schadensersatz der für die Rechtsverteidigung erforderlichen Aufwendungen verlangt werden können.
Das Gericht tritt mit der Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.
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